Ende Juli trafen sich eine Anwärterin und sieben Anwärter auf den »Trainer C – Alpinklettern« in Leutasch zu dem intensiven, einwöchigen Prüfungslehrgang. Gleich der erste halbe Ausbildungstag gab einen Vorgeschmack darauf, was es bedeutet, Alpinklettern zu gehen: Dazu gehören das Queren von wilden Gebirgsbächen und das Klettern auf nassem Fels genauso wie das Sichern mit Halbmastwurf-Sicherung (wenn auch alles in der eher harmlosen Umgebung des Klettergartens). Zum gründlichen Alpinklettern gehört auch, bis in die Nacht Wegbeschreibungen und Topos zu studieren und abzuzeichnen. Zu all dem gehören aber auch eine sympathische Gruppe von NaturFreunden und motivierte Ausbilder aus dem Bundeslehrteam, die bereit sind, zusammen diese Strapazen auf sich zu nehmen.
Auf der Autofahrt ins Ötztal sahen wir unsere Pläne für den zweiten Ausbildungstag wortwörtlich hinter einem Regenvorhang verschwinden. Bei der Ankunft im Klettergarten fanden wir in der Tat die Wände triefend nass vor, sodass die geplanten Mehrseillängen-Sportklettertouren nicht mehr in Frage kamen. Wir fanden aber auch einen überhängenden Abschnitt des Klettergartens, der trocken geblieben war und sich sehr gut für die anstehenden Lehrproben eignete, die jeder Teilnehmer absolvieren musste. Also wurde kurzerhand umdisponiert und die Lehrproben auf diesen Tag verlegt. Der ganze Tag bot somit reichliche Wiederholung von Seilkommandos, dem Schweizer Flaschenzug, Abseilroutinen, mobilen Sicherungsmitteln und dem Aufbau von Seilgeländern. Dazu gab es noch viel zu lernen und zu wiederholen über Standplatzbau an unsicheren Fixpunkten (zum Beispiel nach der Südtiroler Methode), schnell aufgebaute Bauernflaschenzüge und Standplatzübergabe.
Führungstouren und Mehrseillängen
Der dritte Ausbildungstag führte uns das erste Mal ernsthaft in alpine Klettertouren und für zwei der Teilnehmer, die ihr Können und ihre Führung in einer Führungstour unter Beweis stellen mussten, wurde es besonders ernst. Während der Führungstour kletterte der Traineranwärter jede Seillänge im Vorstieg, mit einem unserer beiden Ausbilder als Nachsteiger/in. Weit über dem beschaulichen Mittenwald in Oberbayern kletterten wir in zwei Gruppen über den „Südwestpfeiler“ auf das Gerberkreuz und über die „MaMa-Kante“' im Bereich der Dammkarhütte.
Am vierten und fünften Ausbildungstag folgte das Highlight der Woche: Zwei Tage alpine Mehrseillängen und Prüfungstouren im Gebiet der Schüsselkarspitze im Wettersteingebirge. Das Programm auch für diese zwei Tage war straff: Wegen der (regelmäßig) unsicheren Wetterprognose – und um möglichst wenige Frühstücke im gemütlichen „Fuirerhof“ in Leutasch zu verpassen – wollten wir an diesen zwei Tagen zwei Klettertouren bewältigen, mitsamt Aufstieg zur Wand am ersten und Abstieg ins Tal am zweiten Tag.
Übernachtet wurde auf der „Wang Alm“, die sich etwas unterhalb der Wände befindet. Beim Aufstieg vom Tal bis zum Wandfuß war die beeindruckende Südwand des Wettersteingebirges oft schon von weitem sichtbar. Bei der „Wang Alm“ legten wir immerhin eine kurze Pause ein, um die Rucksäcke um die Übernachtungssachen zu erleichtern. Das war eine taktisch kluge Entscheidung, denn der anschließende Aufstieg zum Wandfuß ist länger als von so manchem Tagesverantwortlichen ausgerechnet worden war – und er schien auch noch zum Ende hin immer steiler zu werden.
Die Schüsselkarspitze in der Morgensonne
Dafür kamen wir nun der Südwand der Schüsselkarspitze stetig näher, die von der Morgensonne angestrahlt in goldgelben Farben über uns leuchtete. Aber erst als wir unsere Kletterrucksäcke über die letzten steilen Grasbuckel gewuchtet hatten, sahen wir die ganze Wand vor uns und waren schwer beeindruckt: Die halbe Wand besteht aus gelbem Fels. Gelb ist der Fels dort, wo er so stark überhängt, dass er nicht nass wird. Wo bitte sollten wir dort eine 6er-Tour durchführen? Wir wussten es natürlich! (Dank unserer akkuraten Vorbereitung.)
Jene Teilnehmer, die für eine Führungstour eingeteilt waren, banden ihre Schäfchen an die Leine und fanden reibungslos die Einstiege in ihre jeweiligen Touren. Dort begann dann doch die Reibung, und zwar mit dem Fels: In der einen Tour in Form von Felskontakt der Reibungsgummisohlen; in der anderen Tour bei der Konfrontation mit einer bizarren 4er-Seillänge, die geradewegs durch den engen Durchschlupf hinter einer riesigen Felsschuppe führte. Der vom Frühstück prall gefüllte Bauch scheuerte über die Felswand, weil ich ihn wegen der vielen Klemmgeräte am Gurt leider nicht genug einziehen konnte, um elegant durch den Spalt zu schlüpfen.
Der restliche Weg zum Gipfel erforderte jeweils ein Gespür für den richtigen Weg im Felsenland, gar nicht wenig Oberarmkraft in steilen und henkeligen 6er-Seillängen, sowie den Umgang mit mobilen Sicherungsmitteln und Routine im Standplatzbau und Seilhandling. Bei all dem standen wir Prüflinge noch unter der ständigen Beobachtung unserer beiden Ausbilder, die wir durch die Touren führen mussten.
Am Ende der Klettertouren war der Ausbildungstag noch lange nicht zu Ende. Denn gleich anschließend mussten wir den recht verwickelten Abstieg vom Westgrat der Schüsselkarspitze meistern. Der ausgesetzte Westgrat bot die perfekte Gelegenheit für die beiden Tagesverantwortlichen, ein Seilgeländer aufzubauen, um die Gruppe schnell und sicher über das ausgesetzte Blockgelände zu führen. Zwei Tage nach der Theorieeinheit bot hier der Berg den Praxistest für das gelernte Wissen. Über mehrere Abseilstellen ging es dann bei nicht mehr ganz so stabilem Wetter hinunter zum Wandfuß, bevor wir zur „Wang Alm“ zurückkehrten.
Am fünften Ausbildungstag nutzten wir die „Wang Alm“ als Basecamp für einen erneuten Ansturm auf die Wetterstein-Südwand, wobei wir noch einen spannenden Tag in diesem Gebiet erlebten und sich wiederum ein Traineranwärter mit seiner Führungstour unter Beweis stellen konnte.
Realistisches Rettungstraining
Den sechsten Ausbildungstag verbrachten wir im Bundeswehrklettergarten in Scharnitz. Es standen noch die Lehrproben zum Thema Abseilstände Einrichten, Prusiken am Fixseil sowie Orientierung und Kartenlesen mit Kompass und GPS auf dem Programm. Außerdem lernten wir noch spezielle Rettungstechniken. Bei einer Rettungsübung konnten wir schließlich unsere Fähigkeiten in der Praxis erproben. Zwei Teilnehmer simulierten einen Unfall: Der Nachsteiger der Zweierseilschaft hing bewusstlos und rettungslos im Seil, der überforderte Vorsteiger rief verzweifelt um Hilfe.
Die Simulation war so gelungen und die Situation schien so dramatisch, dass die nichtsahnenden Passanten auf der nahen Bundesstraße den Notruf wählten. Als die Polizei eintraf, konnte sie allerdings nur feststellen, dass wir die Notsituation bereits unter Kontrolle hatten. Wir bargen den Verletzten und auch der offensichtlich unter Schock stehende Seilpartner wurde von uns umsorgt. Die ganze Übung bot für uns alle viel wertvolle Erfahrung, was die Führung in einer Notsituation betrifft, bis hin zur Kommunikationskette und Eigensicherung.
Sieben neue »Trainer C – Alpinklettern«
Den Abschluss bildete ein siebter Ausbildungstag, wiederum im Dammkar oberhalb von Mittenwald. Wir kletterten in zwei Gruppen die „Luftige Kante“ – eine lange, alpinere Unternehmung – und die „Gams 'n' Edelweißes“ – die recht anspruchsvolle Freikletterei erforderte und schließlich in einer Nebelbank endete. Wir hatten aber schlussendlich das Glück, kein einziges Mal in einer Tour nass geworden zu sein, obwohl während der ganzen Woche das Wetter als durchweg labil gemeldet war.
Am letzten Abend wurden die neuen »Trainer C – Alpinklettern« gekrönt. Es war eine sehr schöne Woche mit vielen frischen Eindrücken, neuen und alten Bekanntschaften und spannenden Erlebnissen. Obwohl die gesamte Ausbildung zum Trainer – C lang ist und sich über mehrere Module erstreckt, wird mancher neue Trainer bedauern, dass sie nun vorbei ist.
Allen neuen Trainern wünsche ich viele erfolgreiche Touren, von denen alle sicher wieder herunter kommen mögen! Berg frei!
Moritz Koenemann, NaturFreunde Bielefeld