Der Grundlehrgang Alpin Praxis der NaturFreunde fand vom 25. Juni bis 2. Juli 2016 im Hinteren Kaunertal in Tirol statt (Stützpunkt Gepatschhaus). Der Ausbildungsplan sah ein straffes Programm vor. Im praktischen Teil unter anderem alpine Basistechniken in Mehrseillängen-Routen, grundlegende Bergrettungstechniken, Seilschaft am Gletscher mit Spaltenbergung und Selbstrettung und Begehen von Klettersteigen. Im Theorieteil unter anderem diverse Materialvorträge durch die Teilnehmer, Führen, Orientierung, Alpine Gefahren und Wetter sowie Geschichte der NaturFreunde, Trainerkodex und Umweltschutz. Angesichts einer sehr großen Gruppe von 15 Teilnehmer_innen im Alter von 24 bis 47 Jahren mit unterschiedlichsten Vorerfahrungen, Ausbildungsständen und –zielen und einer Wettervorhersage mit Regen und Gewitter keine leichte Ausgangslage für die Ausbilder_innen Lena Fischer und Tim Wehner vom Förderteam Bergsport sowie Klaus Rübensal vom Bundeslehrteam.
Durch flexible Planung von Tag zu Tag gelang es tatsächlich, die praktischen Ausbildungseinheiten (im Stationsbetrieb) und Lehrproben der Teilnehmer am schlechten Wetter vorbei zu jonglieren. Dass dabei immer ein Auge auf die Wolken und das Barometer gerichtet war und gelegentlich auch Eile geboten war, gab dem ganzen einen sehr realistischen alpinen Bezug. Die theoretischen Einheiten fanden dann oft bei strömendem Regen im Sektionszimmer der Hütte statt. Die täglichen Feedbackrunden und das System der Tagesverantwortlichen sorgten für Transparenz und Einbezug der Teilnehmer_innen.
Haken schlagen
Überwiegend ging es im Alpin Grundkurs um eine Abrundung bereits bekannter Techniken. Klaus war es sehr wichtig, die Abläufe (beispielsweise Seilkommandos) zu optimieren und – auch die Ausrüstung – auf das Wesentliche zu beschränken (typisch schlanke NaturFreundelinie). Dennoch war auch immer wieder etwas vollkommen Neues mit dabei. So schlugen die meisten von uns zum ersten Mal Haken – einer war davon offensichtlich so begeistert, dass er in die Mehrseillänge im Klettergarten vorbildlich mit Alpinhammer und Hakensortiment einstieg ... Die Aufforderung von Klaus: „Schlag halt a paar Häken nei“, ließ er sich nicht zweimal sagen, hämmerte munter drauf los und hatte fortan seinen Spitznamen als „Moritz der Haken-Schläger“ weg.
Ein Highlight waren die Touren auf den Gepatschferner. Einige waren überhaupt das erste Mal mit Steigeisen auf einem Gletscher. Sowohl Ausbilder als auch Gruppe waren schwer beeindruckt vom chilenischen Stil unseres Kameraden Hugo, der während der Umzieh- und Trinkpausen am Gletscherfuß Gaskocher und Kanne auspackte und sich schnell einen Kaffee machte. Wie wir die folgenden Tage sehen sollten, Grundbestandteil seiner Ausrüstung.
Easy-Jubiläums-Schlinge
Die Übung Spaltenbergung an der losen Rolle war in zweierlei Hinsicht beeindruckend. Erstens erwies sich die Gletscherspalte enger und unfreundlicher als erwartet und bot damit für einige durchaus leichten Realitätsbezug zum ungeplanten Spaltensturz. Zweitens war die Methode der Selbstsicherung und Rücklaufsperre an einer 2,40 Meter Bandschlinge (Nutzlänge) mittels Achterknoten, gelegtem Prusikknoten und gestecktem, asymmetrischem Prusikknoten, abgebunden mit Schlag, für die TeilnehmerInnen vollkommen neu (publiziert in NATURFREUNDiN von Günther „Easy“ Leicht). Spontan wurde diese Methode „Easy-Jubiläums-Schlinge“ getauft und heiß diskutiert.
Wegen der großen Gruppe blieb leider etwas wenig Zeit für Vertiefen beziehungsweise Hinterfragen vermittelter Inhalte und Techniken; gerne hätten wir Klaus bei einigen Themen etwas mehr gelöchert und von seiner Erfahrung profitiert. Auf den Punkt gab es jedoch immer wieder sehr dichten Input von Klaus, insbesondere was das Führen und die Rolle und Verantwortung des Trainers betrifft. Hier unterstützten sehr stark die beiden Nachwuchsausbilder Lena und Tim, die unermüdlich für alle Fragen zur Verfügung standen und eine tiefe Bereitschaft zum gemeinsamen Lernen an den Tag legten (Stichwort: unendliche Variationen des Seilabbundes ...). Auch in die theoretische und praktische Ausbildung waren sie voll einbezogen und standen ihre Frau und ihren Mann (Zitat Klaus: „Methode ins kalte Wasser schmeißen hat sich wieder mal bewährt“). Neben der fachlichen Seite der Ausbildung lagen die Perspektiven der NaturFreunde Klaus sehr am Herzen. Daher sei an dieser Stelle sein Appell weitergegeben, sich im Verband und in den Ortsgruppen zu engagieren und vor allem Mitglieder zu werben.
Den Abschluss bot die Tour zur Weißseespitze (3510 m) über den Westgrat, Abstieg über Zahn und Jubiläumsgrat / Nörderschartel, eine gemischte Hochtour mit Blockkletterei, Schnee und Wechten am Grat, Gletscherüberquerung und Hangquerung im Nassschnee. Wir konnten bei der Planung, Organisation und Durchführung der Tour das Gelernte anwenden und bei wechselnder Führung in vier Seilschaften unser Führungsverhalten erproben. Eine schöne und gelungene Tour! Vielen Dank an die Ausbilder sowie die Gruppe für die gegenseitige Unterstützung, den intensiven Austausch und die netten Erfahrungen mit euch – Berg Frei!
Flo Heinrich, NaturFreunde München-Brünnstein